Pferde-Gesundheitsdienst

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Bäuerliche Pferdezucht in der Landwirtschaftszone der Schweiz

(Gekürzter Artikel, 2014/2015 im Anschluss von Gesetzesänderungen in diversen Gremien und bei politischen Personen vorgebracht)

 

Das Pferd hat evolutionsbedingt einen engen Bezug zur Landwirtschaft. Sowohl die Fachwelt, wie auch Politiker, Historiker usw. sind sich einig, dass die Menschheit ohne das Pferd heute nicht da wäre wo sie ist.

Aus ethologischer Sicht hat sich das Pferd kaum verändert, ist nach wie vor ein ausgesprochenes „Bewegungstier“, dessen Hauptnahrungsquelle praktisch ausschliesslich grasbasiert ist.

Unverständlich erscheint deshalb grundsätzlich schon die Tatsache, dass dem Pferd heute in der Schweizer Gesetzgebung ein Sonderstatus zugesprochen wird im Gegensatz zu allen anderen in der Landwirtschaftszone gehaltenen Tieren, wie z.B. Kuh, Schaf, Ziege, Schwein, Huhn, Hund, inklusive exotische, nicht schon Jahrhunderte standortgebundene Tiere, wie Alpakas, oder andere Neuweltkameliden, die heute auch kaum als Schlachttier zu Ernährungszwecken gehalten und gezüchtet werden, sondern für Dienstleistungen oder einfach zur Weidebegrasung / Landschaftspflege; deren Haltung ist auf einem kleinbäuerlichen Landwirtschaftsbetrieb unter Gewerbegrenze zonenkonform, während die bäuerliche Pferdezucht es seit April 2014 nicht mehr ist1). Diese diskriminierende Sonderbehandlung einer einzigen Spezies kommt primär in der Raumplanunsgesetzgebung zum Ausdruck, in der bezüglich Pferdehaltung zwischen Betrieben über Gewerbegrenze nach BGBB, Kleinbäuerlichen Betrieben unter Gewerbegrenze und sogenannten Hobbybetrieben in der Landwirtschaft unterschieden wird. Dies verwundert umso mehr, als das Pferd sehr wohl als einziges landwirtschaftliches Nutztier im Schweizer Militärdienst seine Berechtigung noch heute findet und dort gemeinhin als Nutztier anerkannt wird.

Auch wenn sich über die Jahrhunderte der Verwendungszweck des Pferdes gewandelt hat, bleibt die Pferdezucht eine Urproduktion im eigentlichen Sinne des Begriffes, nämlich die Erzeugung eines „Produktes“ mittels Rohstofflieferung aus dem Boden, also aus dem Gras des landwirtschaftlichen Bodens.
Trotz seines nicht mehr im Vordergrund stehenden Verwendungszwecks als Arbeitstier, oder Nahrungslieferant, bleibt die „Erzeugung“ von Fohlen eine Urproduktion, entsprechend auch anderer landwirtschaftlich erzeugter Produkte, z.B. die Erzeugung von Schnittblumen, die auch nicht unmittelbar der Ernährungssicherheit dient.

Die bäuerliche Pferdezucht gesetzlich nicht mehr als zonenkonform zu erklären, ist absolut unlogisch,
reine Willkür und geht gegen Treu und Glauben der Urproduktion.

Verschiedene, neueste Studien und Zählungen belegen, dass die Zahl der Equiden heute noch im Wachstum ist und eine Nachfrage nach guten Pferden anhält.

Die Schweizerische Pferdezucht war und ist seit Jahrzehnten in den Händen der Kleinbäuerlichen Landwirtschaftsbetriebe, heute mehr denn je. Studien sprechen von mehreren Tausenden solcher landwirtschaftlichen Betrieben unter der Gewerbegrenze.
Wo anders als in einer solchen Struktur kann heute eine Qualitätszucht, die den Namen verdient und nicht nur eine Vermehrungszucht ist, noch praktiziert werden?
Ein Tier, das aus ethologischer Sicht viel Bewegungsraum braucht, aus nahrungstechnischer Sicht ausschliesslich Gras mit Daueraufnahme (mindestens 12 bis 16 Stunden Nahrungsaufnahme verteilt auf 24 Stunden mit maximalen Pausen von 3 Stunden) braucht, kann nicht im Industriegebiet in einer Fabrik, oder auch in kleinen Raumverhältnissen der Bauzone/Wohnzone tierschutzgerecht und artgerecht gehalten werden, noch weniger können dort Fohlen artgerecht aufgezogen werden.
In landwirtschaftlichen Betrieben über Gewerbegrenze findet man heute selten mehr eine bäuerliche Pferdezucht, sondern immer häufiger den Dienstleistungssektor Pensionspferdehaltung, da dieser Sektor unmittelbar lukrativer ist und eine regelmässig vorhersehbare, monatliche Einnahmequelle darstellt.
Die bäuerliche Pferdezucht ist und bleibt in den Händen von Idealisten, die eine Qualitätspferdezucht in der Schweiz erhalten möchten, häufig mittels Querfinanzierung aus kleinbäuerlichen Betrieben/Nebenerwerbsbetrieben und landwirtschaftsfremdem Einkommen.
Eine seriöse Pferdezucht mit Überwachung von Trächtigkeit, Geburten, Aufzucht und Haltung von artgerechten, gemischtaltrigen Herden braucht ausserdem aus tierschützerischen Überlegungen die dauernde Präsenz eines Betriebsleiters/verantwortliche Fachperson auf dem Betrieb. Unter keinen Umständen kann dies, wie es das Gesetz vorsieht, in Nebenerwerbsstrukturen ohne dazugehörige Wohnbaute gewährleistet werden.

Ausserdem gibt das Schweizer Gesetz genaue Vorgaben über Zucht heraus, womit eine reine sporadische Vermehrung, wie sie in einer Wohnzone noch getätigt werden kann, von einer Qualitätszucht von vornherein ausscheidet. Um eine Qualitätszucht über Jahre erhalten zu können braucht es eine gewisse Anzahl an Zuchttieren und Nachzuchttieren, die aus platzgründen, ethologischen und Tierschutzgründen nur in der Landwirtschaftszone gewährleistet werden kann.

Was aber bis 2014 in den kleinbäuerlichen Betrieben unter Gewerbegrenze noch zonenkonform war und mit gewissen „Privilegien“ verbunden war, wie insbesondere den zonenkonformen Bau eines Ausbildungsplatzes für die Ausbildung der Jungpferde aus der bäuerlichen Pferdezucht zwecks marktgerechtem Verkauf, ist es heute nicht mehr.
Diesen Betrieben wurde ihr Hauptkriterium, nämlich die Marktgerechtheit durch gute Ausbildung die sonst schon schwierige Konkurrenzfähigkeit gegenüber Importpferden entzogen dadurch, dass die Pferdezucht nicht mehr zonenkonform ist und somit Ausbildungsplätze dort nicht mehr bewilligt werden.

Gesetzesvorgaben wie die 2015 in Kraft getretene Zuchtverordnung zielen dahin, dass die Zucht von Nutz- und Haustieren in der Schweiz strengen Reglementierungen unterworfen werden.
Ziel sollte dabei sicher auch sein, dass Schweizer „Produkte“ dabei durch hohe Qualitätskonformität konkurrenzfähig und den Importtieren, die nicht solchen Reglementierungen unterworfen sind, trotz höheren Preisen konkurrenzfähig bleiben.

Die sprichwörtliche Schweizer Qualität soll den preislichen Nachteil, der in der Schweiz aus der teureren Infrastruktur, Produktionskosten, Arbeitslöhne etc. entsteht, kompensieren.
Dies ist aber nur möglich, wenn man den Betrieben, die eine artgerechte, ethologische, tierschutzgerechte Inlandpferdezucht sowohl aus platztechnischer Sicht, wie auch aus ernährungstechnischer und mit entsprechendem Fachwissen erhalten können (nämlich fast ausschliesslich die kleinbäuerlichen Landwirtschaftsbetriebe unter Gewerbegrenze, bzw. landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebe), die Grundlagen zu einer Qualitätszucht nicht entzieht.

Schon heute werden zwar strenge Zuchtverordnungen, Tierschutzgesetze/-verordnungen, Baureglemente etc. und deren Kontrollen durchgeführt, eine finanzielle Unterstützung der Inlandproduktion in der Pferdezucht wird aber nur sehr punktuell an Rassezuchtverbände, die eine grosse MASSE produzieren ausgerichtet. Nicht nur, dass so auch eine zeitgemässe Rasse-Diversität nicht unterstützt wird und die Qualität durch finanzielle Unterstützung von einer Einheitsrasse sich kaum steigern kann (Warmblut und Freiberger, auch unter dem Deckmantel der einzigen einheimischen Rasse, wobei die überwiegende Mehrheit dieser Freibergerpferde schon lange nicht mehr der Ur-Rasse entspricht und heute Mehrheitlich eine sogenannte Verdrängungszucht ist, in der andere Rassen zu einem grossen Prozentsatz eingekreuzt wurden).

Die aktuelle Praxis verursacht hohe Kosten, kompliziert, oder verunmöglicht eine angemessene Ausbildung und somit einen marktgerechten Verkauf von nach Schweizer Gesetzgebung produzierten Produkten (Fohlen – zumeist für den Freizeit und Sportbereich) und lässt so Tür und Tor offen für den Import von Pferden aus EU, Nicht-EU-Staaten (Ostblock) und Übersee , die weder nach Schweizerischen Tierschutznormen, Zuchtverordnungen, medizinischen Aspekten (siehe heute auch aktueller Antibiotika-Resistenz Diskussionen) usw. gezüchtet, aufgezogen, gepflegt, gehalten wurden.

Die bäuerliche Schweizer Qualitäts-Pferdezucht, insbesondere die Pferdezucht mit ihrer Rassediversifizierung, ist heute stark gefährdet und wird ohne Intervention von engagierten Personen in vielen Bereichen (Politik!!!) nicht überleben können. Ein Anpassung des Status des Pferdes und Anerkennung der Pferdezucht als zonenkonforme Aktivität in den landwirtschaftlichen Kleinbetrieben drängt sich auf. Die Ungleichbehandlung von Pferd zu anderen Tieren in der Landwirtschaft sowohl bezüglich Raumplanungsgesetz, wie z.B. auch zu anderen gängigen Praktiken, entbehrt jeglicher Grundüberlegungen, widerspricht der Urproduktion und geht somit gegen Treu und Glauben.


1) Zuchtpferde sind grundsätzlich nur Stuten und Hengste, die regelmässig zum Zuchteinsatz kommen, oder über längere Zeit gekommen sind; Definition bis 2014: mindestens 6 Fohlen in 5 Jahren für den jeweiligen Zuchtbetrieb

Zuchtstute mit Fohlen

 

Nachtrag:
Bis 2014 war die Pferdezucht als zonenkonforme Aktivität in der Landwirtschaftszone gesetzlich anerkannt.
Kleinbetriebe, wie auch grössere Landwirtschaftsbetriebe sind angehalten zu diversifizieren, innovativ zu sein und Nischenprodukte mit Schweizer Qualität zu produzieren. Ein solcher Betriebszweig ist z.B. die Produktion von Stutenmilch. Bekannt ist der Verzehr von Stutenmilch bei ganzen Volksgruppen (Mongolen…) und zu gewissen Zeiten auch als Heilmittel in der westlichen Welt (Stutenmilch-Spitäler für Tuberkuloseerkrankte). Heute werden die Eigenschaften von solchen Naturprodukten wiederentdeckt und angewendet. Unseres Erachtens ist es in der heutigen Zeit der Resistenzen gegen Antibiotika besonders wichtig alternative, natürliche Mittel zur körpereigenen Abwehrförderung (wissenschaftliche belegt), Heilunterstützung usw. zu finden. Stutenmilch erfüllt solche Kriterien ganz klar.
Stutenmilch kann aber nicht produziert werden, ohne Zucht, die wiederum der Schweizerischen Zuchtverordnung unterworfen ist, also klar reglementiert wird. Stutenmilchproduktion ist zeitintensiv und noch wenig lukrativ (wird also kaum auf den Grossbetrieben über Gewerbegrenze rationell und dennoch tierschutzgerecht produziert werden).
Obwohl verständlicherweise die Stutenmilchproduktion ganz klar als landwirtschaftliche Tätigkeit zonenkonform produziert werden kann, kann dies heute auf Betrieben unter Gewerbegrenze nur mit einer nicht zonenkonformen Tätigkeit, nämlich Pferdezucht, gekoppelt ausgeübt werden. Wo liegt da die Logik, wo die Konsequenzen?
Auch die immer strengeren Gesetzesparagraphen in allen möglichen Bereichen (Lebensmittelgesetz, Raumplanungsgesetz usw.) und deren Umsetzung samt Kontrollen, verhindern nicht nur, dass Stutenmilch mit vernünftigem Aufwand produziert werden kann, sondern insbesondere auch, dass diese im Direktverkauf (nicht nur für den Eigengebrauch) marktgerecht zur Anwendung kommen kann, obwohl die Nachfrage nachweislich bestehen würde.

 

       

Im Namen einer diversifizierten Schweizer Qualitätszucht, die aus ethologischer Sicht, tierschützerischen Sicht und tierzuchtgesetzeskonform zumeist nur von Züchtern auf kleinbäuerlichen landwirtschaftlichen Betrieben unter Gewerbegrenze praktiziert werden kann, und zum Schutze dieser Schweizer Pferdezucht gegen Massenimporten von Pferden aus nicht den Schweizer Normen entsprechenden Zuchten und Haltungen, bitten wir alle zuständigen Personen in diesem Sinne zu intervenieren.

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