Pferde-Gesundheitsdienst

since 2003

 

Hengst in der Gruppenhaltung

 

Hengst in der Gruppenhaltung –  geplante Tagung STS vom 2018

Daniela & Franz Renggli, Double Forest Ranch, Gugenhof 3, 4655 Stüsslingen

 

Einleitung:

Beobachtungen an Wildpferden und deren Verhalten sind wichtige Grundlagen für das Verständnis des Pferdes und können hilfreich sein beim Verstehen von „Problemen“ oder „Konflikten“ in der Pferdehaltung oder deren Umgang. Hauspferde sind verhaltensphysiologisch weitgehend „Wildtiere“. Daher sollten Pferdehalter, speziell diejenigen, die Pferde in Gruppen halten das „natürliche Verhalten“ und die „natürlichen Bedürfnisse“ kennen und angemessen berücksichtigen.
In der Natur gibt es Hengste, Stuten sowie männliche und weibliche Jungtiere. Wallache / Kastraten kommen in der Natur nicht vor. Diese sind verhaltensphysiologisch als Pferde „ohne oder mit wenig geschlechtsbezogenem Verhalten“ einzustufen.

Haltung von Stuten und / oder Wallachen in Gruppen verbreitet sich zu Recht zum Wohle der Pferde mehr und mehr. Dies gelingt mit dem entsprechenden Wissen und der nötigen Beobachtungsgabe und etwas Erfahrung recht gut.
Auch Haremshaltung einzelner Zuchthengste wäre, entgegen landläufiger Meinung, nach unserer Erfahrung viel häufiger umsetzbar, und die entsprechenden Hengste könnten so viel artgerechter gehalten werden. Die weit verbreitete „Isolationshaft“ von Hengsten ist aus ethologischer Sicht nicht vertretbar. Hengste, die nicht zur Haremshaltung (zusammen mit einer einzelnen Stute) oder zu anderer sozialer Haltungsform taugen und /oder nicht zur Zucht vorgesehen sind, sollten zu ihrem eigenen Wohle kastriert werden.

Aus den Beobachtungen der Wildpferde, oder der verwilderten Hauspferdeherden wissen wir, dass auch Hengste in freier Wildbahn beinahe immer in „Gruppen“ leben und ebenso Sozialkontakte brauchen wie Stuten und Wallache.
Adulte Hengste haben aber von Natur aus (hormonelle Einflüsse!) ein höheres Aggressionspotenzial als Wallache oder Stuten und sind speziell gegen männliche Artgenossen in der Regel intolerant. Da es Wallache in der Natur nicht gibt, können Hengste diese nicht richtig einschätzen. Meist werden diese von adulten Hengsten wie „männliche Tiere“ oder wie „Rivalen“ behandelt. Insbesondere in Anwesenheit weiblicher Tiere kann es zu erheblichen Rangkämpfen kommen, die bei mangelndem Platz oder Rückzugsmöglichkeiten fatal enden können. Sogar in freier Wildbahn, wo oft grosse Weiten zur Verfügung stehen, können ernste Rangkämpfe unter Hengsten tödlich ausgehen.

Gruppenhaltung von Hengsten - Voraussetzungen

Bevor man sich an die Gruppenhaltung von Hengsten heranwagt, muss man sich also eingehend Gedanken dazu machen und sicherstellen, dass die Voraussetzungen dazu erfüllt sind:

Nicht jeder Hengst eignet sich für „Gruppenhaltung“. Diese Hengste müssen gut erzogen sein und „gute Manieren“ haben. Die Gruppenzusammensetzung ist mit entscheidend, ob eine „Haremshaltung“ gelingen kann oder nicht. Ausserdem braucht es genügend Platz, sichere Umzäunung und eine gute Beobachtungsgabe, sowie entsprechendes Fachwissen von Seiten des Betriebsleiters / der Betriebsleiterin. Notfalls muss man jederzeit schnell und wirkungsvoll eingreifen können. Spezielle Vorsicht ist geboten bei „Neu-Integration“ während der ersten Zeit oder bei jeder „Veränderung“ im Umfeld. Da Hengste in der Natur, wenn sie eine Stute erobert haben dieser sehr treu bleiben, ist ein Wechsel des Haremspartners besser zu unterlassen.

Hengst in der Gruppe

Von den Beobachtungen in der Natur abgeleitet gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten Hengste „in Gruppen“ zu halten:

  • Junghengste (bis zum Alter von zirka drei Jahren) können in „Junggesellengruppen“, wie sie in der Natur beobachtet werden, gehalten werden.
  • Hengste jeden Alters können nach unserem Wissen und Erfahrungen zusammen mit Stuten gehalten werden. In der Regel geht es „nur“ mit einem Hengst und einzelne oder einige Stuten zusammen (In der Natur sind es meist „einige“ Stuten, es kann aber ebenfalls auch nur eine einzelne sein.). Am unproblematischsten ist für Pferdehalter sicher die Haltung von einem einzelnen Hengst mit „seiner Lieblingsstute“ realisierbar.

Junghengste tolerieren auch bei Anwesenheit von Stuten zum Teil sogar die Anwesenheit eines oder eventuell mehrerer Wallache in der Gruppe, meist aber nur bis zum Alter von (3-) 4 (-5) Jahren, je nach jeweiligen Charakteren sowohl der Hengste wie auch der Wallache. Junghengste könnten also auch mit anderen Wallachen oder in der Nähe von Stuten meist problemlos artgerecht aufgezogen und gehalten werden.

Eventuell kann auch die Haltung eines adulten Hengstes mit ausschliesslich Wallachen möglich sein, solange keine Stuten in unmittelbarer Nähe sind. Dazu haben wir aber keine persönliche Erfahrung und vermutlich müsste das noch weiter erforscht werden.

Reine adulte Hengstgruppenhaltung ist nach unserer Meinung weder sinnvoll noch „artgerecht“. Es ist wohl kaum möglich diese sicher in einer limitierten Umgebung zu halten.

Mögliche Alternative zu Gruppenhaltung:

Einzelhaltung mit Sozialkontakten in Stallungen oder stabilen Gehegen von „verträglichen“, gut erzogenen Hengsten scheint ebenfalls möglich zu sein, sofern sie in einem gesonderten Stall ohne Stutenpräsenz stehen (Beispiel Zirkus Knie).

Haremshaltung

Bei Haremshaltung (ein adulter Hengst und seine Stute) braucht es als Abgrenzung zu einer anderen Pferdegruppe einen sehr sicheren Zaun (z.B. Eisenpanels). Auf der Weide sollte eine Gruppe mit Hengst mit einem Doppelzaun im Abstand von mehreren Metern getrennt von anderen Pferdegruppen sein, um nicht unnötiges Aggressionsverhalten auszulösen oder die Sicherheit der Tiere ernsthaft zu gefährden.

Hengste, die für Harems- oder Gruppenhaltung vorgesehen sind sollten nicht nur gut erzogen, sondern auch entsprechend „gut sozialisiert“ sein. Ob es ansonsten möglich ist für einen ausgewachsenen Hengst sich in eine Gruppe einzufügen ist sehr fragwürdig und nur individuell allenfalls sinnvoll.

Falls also eine Gruppenhaltung eines Hengstes nicht „nur experimentell“ bleiben soll und um die Aussichten auf Erfolg möglichst hoch zu halten, muss schon bei der Aufzucht des Hengstes auf „Gruppentauglichkeit“ und einwandfreie Sozialisierung geachtet werden. Es ist vermutlich unmöglich Zuchthengste, die in Zuchtstationen gehalten wurden und „keine korrekten Manieren“ gelernt haben mit einer (oder mehreren) Stute „zusammenzuführen“. Hengste auf Zuchtstationen lernen meist NICHT respektvoll und „vorsichtig“ an Stuten heran zu gehen. Ein „guter Haremshengst“ und auch Hengste in freier Wildbahn verhalten sich gegenüber Stuten und Fohlen sehr friedfertig und rücksichtsvoll, zumindest solange kein „Nebenbuhler“ anwesend ist.
N.B.: Hengste können, wenn sie nicht gut erzogen sind oder die Rangordnung zwischen Halter und Hengst nicht eindeutig geklärt ist möglicherweise Menschen als potenzielle „Nebenbuhler“ wahrnehmen, was dann zu unvorhersehbaren, gefährlichen Situationen führen könnte.

Unseres Erachtens gehören gefährliche Hengste so oder so nicht in die Zucht und sollten kastriert werden. In einer Gruppe hat ein überaggressiver Hengst auf jeden Fall keinen Platz und stellt ein erhebliches Risiko für alle Beteiligten dar.

Vorteile / Risiken von Haremshaltung von Hengsten

Für einen Zuchtbetrieb ein sehr grosser Vorteil ist der fast 100%ige Zuchterfolg. Bei der künstlichen Befruchtung oder bei traditionellen, gängigen Zuchtmethoden wird dies nicht annähernd erreicht.
Normalerweise wird demnach jede gesunde Stute im Harem (wie in der Natur) jährlich ein Fohlen gebären (ausser eventuell, wenn man hormonell eingreift oder Stuten kastriert). Somit sollte bei der Gruppenzusammensetzung möglichst von Anfang an darauf geachtet werden, dass die genetischen Voraussetzungen für die entsprechende Verpaarung gegeben sind. Da Harem-Gruppen in der Natur meist über Jahre stabil sind, wird ein Wechsel von Stuten voraussichtlich schlecht toleriert.

Dafür können die Fohlen in einem möglichst natürlichen „Haremsverband“ naturnah aufwachsen, was sich nachweislich sehr positiv auf deren Sozialisierung auswirkt.

Auch die Stute (die Stutengruppe) hat die einmalige Chance sich in einer naturnahen Gruppenzusammensetzung zu befinden, und die Anwesenheit eines adulten Hengstes wirkt sich auch unter Stuten positiv auf deren Sozialverhalten aus.

„Zufriedene Haremshengste“ sind sehr ausgeglichen und umgänglich. Für Vertrauenspersonen, die den Harem kennen und mit etwas Übung ist das sichere Herausführen und Zurückbringen jedes einzelnen Pferdes kein Problem.
Der liebste und wohlerzogenste Hengst wird in einer Gruppe meist „seine Stute/n“ verteidigen, wenn er Gefahr (aus seiner Sicht!) für diese wahrnimmt. Es kann also für „fremde“ Leute oder Tiere (unter Umständen auch andere Pferde) sehr gefährlich sein ins Gehege oder in die Weide einer Haremsgruppe zu gehen, oder gebracht zu werden.

Die Zäune von Haremsgruppen müssen daher sehr solide, genügend hoch und „ausbruchsicher“ sein. Mindestens drei, besser vier oder sogar fünf solide, genügend Strom führende, gut sichtbare kunststoffummantelte Drähte sollten eingeplant werden für Weideumzäunung. Ebenso solide sind die Pfosten zu wählen.

Noch ein paar Gedanken zur „naturnahen Haltung“ von Pferden:

Die Beobachtungen in der Natur sollten nicht das alleinige Mass aller Dinge sein, wenn es um Haltung oder auch um Umgang mit den Pferden geht, denn schliesslich wollen wir ja etwas „mit ihnen machen“, also sie gewissermassen „nutzen“ und das in einem Umfeld, das nur noch teilweise an ihr natürliches Umfeld und Habitat erinnert. Ausserdem sind die Pferde unter unserer Obhut uns „anvertraut“, das heisst wir übernehmen für sie die Verantwortung und müssen von Gesetz wegen auch „für sie sorgen“.

Schliesslich und in diesem Zusammenhang, aber auch aufgrund der Nutzung müssen sich die Pferde in unserer Zivilisation – wohl oder übel – an gewisse „unnatürliche Situationen“ auch zu ihrer und unserer eigenen Sicherheit gewöhnen. Auch das Haltungsumfeld und die räumlichen Möglichkeiten (Raumplanung, Platz- und Landverfügbarkeit) schränken uns oft ein, wenn es nicht zusätzlich finanzielle oder zeitliche Einschränkungen sind, die uns in unseren Möglichkeiten limitieren. Gewisse Kompromisse sind also immer nötig und leider unumgänglich...

Unser Ziel sind:
Gesunde, motivierte Pferde, die ausgeglichen und möglichst „naturnah“ mit uns zusammen leben und mit denen wir auch vielfältige Aktivitäten ausüben können. Dies alles möchten wir möglichst in gegenseitig respektvollem, vertrautem Umgang tun können.

 

Zusammenfassung:

    • „Gruppenhaltung“ von Hengsten ist nach unserer Erfahrung grundsätzlich möglich.
    • Einzelne Zuchthengste können mit kleineren Einschränkungen sehr naturnah und so artgerecht wie möglich gehalten werden mit einer einzelnen passenden Zuchtstute zusammen. Als Lohn bekommt man, wenn man es richtig macht, einen sehr umgänglichen, ausgeglichenen und zufriedenen Hengst und gut sozialisierte Fohlen.
    • Junghengste können bis zum Alter von zirka drei Jahren recht gut mit Wallachen zusammen gehalten werden.

Referenzen:

    • Reproduktionsmedizin beim Pferd, Fachbuch für Gynäkologie – Andrologie – Geburtshilfe, von Christine Aurich, Paul Parey Verlag, 2005 (ISBN: 3-8304-4102-9), Seiten 240-245
    • Mit Hengsten leben, Handbuch für Pferdebesitzer von Alexandra Schedel-Stupperich, Verlag Müller Rüschlikon, 1997, 2. Auflage 2000, (ISBN: 3-275-01239-8), diverse Stellen.
    • Eigene Beobachtungen und Erfahrungen von Daniela Renggli und Franz Renggli, Co-Betriebsleiter der Double Forest Ranch, Stüsslingen, www.doubleforestranch.ch oder unveröffentlicht.

 

   Der ganze Vortrag als PDFpdf iconmit Fotos

  back to Foundation Appaloosa Blog